Schwarzer Holunder – sambucus nigra
Holunder – die „alte Fliederstaude“
Die Pflanze, vor der man den Hut zieht. In Niederösterreich haben wir einen besonderen Bezug zum Holunder, waren doch unsere Landesheiligen auch „Hollerheilige“. Die Frau des heiligen Leopold, verlor ihren Schleier, welcher sich in einem Holunder wiederfand. An jenem Ort lies Leopold das Kloster Klosterneuburg errichten. Wir finden Orts-/Stadtnamen mit Holunderbezug wie z.B. Hollerbrunn, Hollenburg oder Hollersberg.
„Sobald der Holunder Blüten trägt, zieht der Frühsommer übers Land, tragen jedoch die Brombeeren im Wald und der Schwarze Holunder ihre Beeren, zieht der Frühherbst übers Land“… der Holunder wuchs stets in vielen Regionen und dies in größerer Menge, so fand er in der Volkskunde nicht nur für das „Magische“ sondern auch als sogenannte „Zeigerpflanze“ für das Kräuterjahr und seine Tätigkeiten Einzug.
„Wenn die Fliederstaude Blüten trägt, ist die Zeit zur ersten Maht“… In manchen Regionen wird der Holunder umgangssprachlich auch heute noch „Fliederstauden“ genannt, dies stammt aus einer Zeit, als der Holunder eigentlich Flieder, wegen seiner gefiederten Blätter genannt wurde.
Im 16 Jahrhundert eroberte der wundervoll duftende Flieder, den wir heute noch als Flieder kennen zuerst einmal die Schloss- und Klostergärten. Plötzlich hatten zwei Pflanzen den selbigen Namen, um dem Abhilfe zu schaffen, behielt der Flieder seinen Namen und der Holunder wurde einheitlich als Holunder benannt. Diese Geschichte der Namensgebung ist für uns heute wichtig so wir alte Rezepte finden oder ausprobieren. Lesen wir hier von Zutaten wie Fliederblüten, dann meinte der Schreiber des Rezeptes damit Holunderblüten, da er damals ja Flieder genannt wurde.
Doch warum wurde zu seiner Blüte das erste Mal im Jahr gemäht? Dies erzählt uns der nächste Spruch „Solange der Schwarze Holunder blüht, hört der Regen nicht auf“… Die Holunderblüte fällt in eine Zeit, in der es gehäufter als sonst wie aus heiterem Himmel spontan zu regnen beginnt. In dieser Zeit wussten die Menschen früher, dass sie sich auf längeren Wegstrecken eine Jacke mitnahmen. Ist seine Blütezeit vorbei, sinkt auch die Häufigkeit der Platzregen.
Vor der Holunderblüte, ist bereits die erste Warmphase, die Gräser und Kräuter in den Wiesen wachsen merklich. Die Wärme und Spontanregen zur Zeit der Holunderblüten lassen sie erneut kräftig wachsen, so achtete man darauf zur Zeit der ersten Holunderblüten die Wiesen zu mähen, noch ehe der nächste Wachstumsschub folgt. Seine Bedeutung für die Landwirtschaft war so groß, das er sogar den Namen „Maht-Blia“ (Maht-Blüte) erhielt.
Für die Gartenarbeit zeigt er uns an, wann die Zeit der starken Fröste vorbei ist „Solange der Holunder nicht treibt (austreibt) bleibt der Frost über dem Land“, erzählt uns hierzu der Volksmund. Der Holunder treibt erst dann aus, wenn das Kräuterjahr soweit fortgeschritten ist, sich die Erde soweit erwärmt hat, dass die starken Fröste vorbei sind. Im Garten können die ersten Pflanzen, welche leichte Fröste aushalten gesetzt werden.
„Neben dem Holunder pflanze kein Gemüse an“ oder „Das Gemüse und der Holunder können sich nicht leiden“, allerdings wachsen und gedeihen unter den Holunder die Leberblümchen oder das Lungenkraut sehr gut. Auch für den Kompost ist ein eine hervorragender „Schattenspender“.
Für die Bevölkerung galt e als „Arme-Leut-Vanille“, die echte Vanille war nicht leistbar. Hierzu suchte man sich eine Holunderstaude, welche an einem windgeschützten, vollsonnigen Standort stand. Man ging zur Mittagszeit – wobei es drei Tage nicht geregnet haben sollte und sonnig sowie warm gewesen sein soll – um die unter diesen Bedingungen sehr aromatisch duftenden Blüten zu ernten, ebenso besonders lieblich, aromatisch zeigen sie sich nun in der Verarbeitung, selbst noch im getrockneten Zustand. Möchte man den Holunder in seinem Garten haben findet sich auch eine Überlieferung aus dem Volksmund: „Der Holunderbusch tut gut wachsen, wenn man unter seine Wurzeln alte Mauerreste vergräbt…“. Auch zur Wildnisapotheke ist der Holunder eine wertvolle Zutat, wie zum Beispiel der Holunderrinden-Absud.
Wirkung Holunder
Heute schätzen wir besonders die entzündungshemmenden Eigenschaften der Beeren, sowie ihre Vitamine A, B und C, Kalium, Niacin und die Schleimstoffe.
Rezepte Holunder
1. Holunderrinden-Absud bei Nebenhöhlenentzündungen:
2 EL Rinde des Holunders, 1/4l Wasser
Die Rinde des Holunders kann frisch oder getrocknet verwendet werden. Mit 1/4l heißem Wasser übergießen und zugedeckt 2 – 4 Stunden rasten lassen, danach erneut auf etwas mehr als handwarm erwärmen und abseihen. Ein Tuch darin eintauchen und dieses über den Nebenhöhlen am Körper auflegen. 2 – 3 Mal täglich wiederholen. Der Absud kann hierzu öfters verwendet und erwärmt werden.
2. Holunderschnitzel – fleischlose Schnitzel:
Holunderblüten, Mehl, Eier, Brösel, Salz, Pfeffer, Frittierfett
Für die Panade 3 Schüsseln nehmen, in eine Schüssel das Mehl geben, in die Zweite die Eier mit Salz, Pfeffer gewürzt und mit Wasser verdünnt, in die Dritte die Brösel geben. Die Holunderblüten zuerst in das Mehl tauchen, danach in die Eiermasse und danach in die Brösel ehe man sie in das am Ofen erhitzte Fett zum frittieren gibt. Sobald die Panade goldgelb ist, aus dem Fett nehmen und zu grünem Salat oder Kartoffelsalat servieren – schmeckt wundervoll!
3. Holunderwurzel-Trunk zur Entwässerung:
1 Hand voll Holunderwurzeln, 1 L Weißwein
Die jungen Seitenwurzeln des Holunders in kleine Stücke schneiden, in den Wein geben und über Nacht ziehen lassen. Am nächsten Tag am Herd für 10 Minuten erwärmen, abseihen und in Flaschen füllen. 2 Wochen täglich 2 cm der Glashöhe (1/4l Glas) von diesem Trunk hineingeben, mit Wasser aufgießen und trinken.
4. Holunderblätter-Brei bei Wunden:
1 Handvoll Holunderblätter, 2-3 EL Milch
Die Blätter in kleine Stücke schneiden und mit dem Mörser quetschen. Die Milch zugeben und alles im Mörser kurz weiter zerdrücken, bis eine breiartige Masse entsteht. Diesen Brei direkt auf die Wunden geben, besonders bei Brandwunden.
5. Holunderblütensirup – körperkühlend:
1 l Wasser, ½ kg Zucker (es kann bis zu 1 g Zucker verwendet werden), 1 Bio Zitrone, 20-30 Holunderblüten
Die Blüten mit dem Wasser, dem Zucker und der grob zerkleinerten Zitrone in ein verschließbares Glas geben, so lange rühren, bis sich der Zucker nicht am Boden absetzt. Danach verschlossen 3 – 5 Tage ziehen lassen, täglich umrühren, damit sich der Zucker nicht absetzt. Danach absieben und fertig ist der Sirup. Diesen nun mit Wasser verdünnt trinken. Meine Oma hat immer einen Zweig Wermut zu den Blüten hinzugegeben.
6. Holerkoch
Zutaten: 2 Hand voll Holerbeeren, 1 Hand voll Zwetschken, 2 Zimtstangen, Zucker, Vanillepuddingpulver
So wird’s gemacht: Nehme die abgerebelten Holerbeeren, die Zwetschken im Ganzen, die klein geschnittenen Birnen und die klein geschnittenen Äpfel, schütte alles in einen Kochtopf, übergieße die Früchte mit Wasser und gebe Zimtstangen und etwas Zucker hinzu. Nun köchelt die Masse beimittlerer Hitze mit Wasser bedeckt, bis sich die Zwetschken auflösen. Dann drehe die Masse durch die Flotte Lotte, stelle sie nochmals auf den Herd und verrühre alles entweder nach alter Rezeptur mit ein wenig Mehl und Sauerrahm zu einer cremigen Masse, um sie einzudicken, oder nach moderner Version mit etwas Vanillepuddingpulver.
7. Hollerröster:
Zutaten: 2 Hände voll Holunderbeeren, 5 Stk Zwetschken, 1 Stk Zimtrinde, etwas Zucker.
So wird’s gemacht: Gebe die Holunderbeeren mit den ganzen Zwetschken und der Zimtrinde in einen Kochtopf. Bedecke diese mit Wasser und lasse sie einmal aufkochen. Schalte die Hitze danach auf mittlere Hitze zurück.
Die Holunderbeeren dürfen nicht roh gegessen werden, erst durch das Kochen werden sie für uns verträglich. Aus diesem Grund wurden beim Kochen von Holunderbeeren ein paar Zwetschken beigegeben. Lösen sich die Zwetschken durch das Kochen vom Kern, hat sich das Fruchtfleisch zerkocht, ist die optimale Kochzeit der Beeren erreicht, galt der Hollerröster als fertig.
Nun je nach Geschmack Zucker hinzufügen. Durch ein Sieb seihen und fertig ist die gesunde Spezialität.
Eunike Grahofer
Kräuterpädagogin mit Leib und Seele
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Auszug aus „Mein Kräutererbe“ erschienen im Freya Verlag
„Meine geliebte Urenkelin!
Das Holerkoch, das hab ich als Kind nicht recht essen mögen. Heute als Erwachsener liebe ich es. Sein wärmender Duft erinnert mich an die Zeit, als wir Kinder in der Stube um den großen hölzernen, kantigen Tisch saßen, mein Bruder mich unter dem Tisch mit seinem Fuß provokant anstupste, weil er wieder mal zu viel Energie hatte, die Mutter uns Kinder anhielt, doch endlich brav zu sein, ehe wir den gestrengen Herrn Vater mit seinen hallenden, hölzernen Schuhen den schmalen Gang entlang Richtung Wohnraum kommen hörten.
Alsgleich war jegliche Rangelei zwischen uns Kindern beendet, der Vater setzte sich zum Tisch, die Mutter stellte das Holerkoch in die Mitte. Zuerst nahm sich der Vater etwas heraus, ehe alle anderen mit ihren hölzernen Kochlöffel davon essen durften.
Als wir dann erwachsen waren, saßen wir mit unseren Kindern um den großen Tisch und selbst hier vernahm man von den aufgeweckten Kleinen keinen Laut, wenn die energischen Schritte meines Vates in Richtung Wohnraum zu hören warnen.
Außer Johannsibeere, Holerkoch, Brombeere und Heidelbeere (Blaubeere) verwendeten wir kaum Wildbeeren. Damals gab es sogenannte Tagelöhnerinnen. Das waren Frauen, die im Sommer bei der Ernte halfen und im Winter Näharbeiten verrichteten und dafür Lebensmittel wie Kartoffel erhielten. Diese Frauen hatten es noch schwerer, ihre Familie zu ernähren. Sie gingen deshalb in den Wald und ernteten alle möglichen Waldfrüchte. Ich hab sie oft beobachtet.
Da gab es im Wald ein paar Findlinge, große Granitsteine. Ich kniete mich einmal hinter einen solchen Stein und beobachtete die Frauen, welche Früchte sie nahmen. Einmal haben sie von einem dornigen Strauch am Waldrand rote, weiche Früchte geerntet. Sie haben ein paar davon sofort gegessen und die Kerne immer ausgespuckt. Das sah so lustig aus, das wollte ich auch machen. Als sie weg waren, bin ich zu diesem Strauch gelaufen, habe mir eine Hand voll Früchte gepflückt, diese am Heimweg gegessen und die Kerne am Weg ausgespuckt. Ein paar Jahre später sind aus diesen Kernen entlang des Weges schöne große Hagebuttensträucher gewachsen. In tiefer Liebe Deine Urgroßmutter“
Uraltes Kräuterwissen stimmt mit den heutigen biologischen Erkenntnissen überein. Ein Beweis sind die weitgehend vergessenen Volksnamen, deren Erklärungen und Aha-Erlebnisse. Die Zeichen, die Zusammenhänge der Pflanzenwelt verstehen, sie deuten und lesen, das Jahr der Natur in sich, in seinem eigenen Rhythmus erkennen, davon erzähle ich Euch in meinem neuestes Buch:
„Wildniswissen, Zeigerpflanzen, Wetterpflanzen und 300 alte Rezepte“