Urgroßmutter´s Baumharz
Mit gesenktem Blick sitzt der betagte Mann auf dem hölzernen Stuhl vor dem Küchentisch, seinen dunkelbraunen Gehstock in Griffwiete, auf die weiße Küchenkommode angelehnt, während er in seinem Fotoalbum blättert. …
Wie jeden Tag besuchte der kleine Maximilian am Heimweg noch schnell seinen geliebten Großvater. Wirkt dieser doch seit dem Tod der Großmutter, und seit ihm das Gehen schon schwer fällt, stets so traurig. Unzählige Nächte dachte der kleine Junge darüber nach, womit er ihm eine Freude machen könne. Energiegeladen öffnet er die Haustür, und ruft „Großvater ich bin es, der Maxi“ um ihm kurz darauf um seinen Hals zu fallen. Gemeinsam blättern die Beiden das Fotoalbum durch, als der betagte Mann bei einem Bild inne hält, liebevoll mit seiner Hand darüberstreicht, als wollte er Falten glattstreichen, die eigentlich gar nicht da sind…. „Weist Du Maxi, der Wald war stets mein Leben, der Duft der Bäume, die Waldluft, die Ruhe… dort war ich immer glücklich.“ Aufmerksam lauschte der Junge den Erzählungen seines Großvaters, doch dieser eine Satz ging Maximilian einfach nicht aus dem Kopf. Am nächsten Tag fand in der Schule ein Wandertag statt. Er spielte mit anderen Burschen verstecken, dabei drückte er sich ganz dicht an einen Baum. Als er seine Hand vom Baum nahm, schien diese mit einem „Kleber“ überzogen zu sein. Den ganzen restlichen Tag wollte diese klebrige Masse nicht von der Hand gehen. Die Lehrerin erklärte ihm, dass dies ein Baumharz sei. Irgendwann roch er zufällig von seiner Hand – „hmm…so riecht der Wald, so ist der Geruch von Bäumen….“, schoss es durch seinen Kopf. Am nächsten Tag lief der Junge zu jener Stelle in Wald, nahm ein Stück Birkenrinde und legte darauf etwas vom Baumharz, lief zu seinem Opa um ihm aufgeregt den Geruch vom Wald zu bringen… Der Großvater wusste gar nicht wie ihm geschah, umarmte den Jungen voller Freude, erhob sich, um die Baumrinde mit dem Harz sogleich am Rand des alten Ofens zu legen. Das Harz wurde flüssig und sein herrlich waldiger Duft breitete sich in der ganzen Küchenstube aus. Er setzte sich wieder zu seinem Enkel und erzählte freudestrahlend. „Maxi, meine Mutter, deine Urgroßoma hat das immer so gemacht als ich noch ein Kind war. Im Herbst und Winter hat sie abends ein Stück Harz auf einer Rinde am Rand des Ofens gelegt. Sie meinte immer, dass reinigt die Luft und wir würden dann nicht so schnell Verkühlt werden oder Grippe bekommen und es würde uns beruhigen, wir würden damit gut schlafen können.“ Ein kleines Stück des Harzes behielt er in seiner Hand und drückte es zwischen seinen Fingern, während er weiter erzählte. „Das Baumharz haben wir, wenn wir einen Stachel oder einen Schiefer hatten mit den Fingern flach gedrückt und auf die betroffene Körperstelle gedrückt, darüber ein Tuch oder einen Verband gewickelt. Dies haben wir dann über Nacht oben gelassen. Das Harz hat so über Nacht die Verunreinigung aus dem Körper geholt. Bei eitrigen Verletzungen oder Schwellungen hat deine Urgroßmutter eine Ringelblumensalbe, mit etwas Harz darin gehabt, die wurde als `Zugssalbe` auf den Körper aufgetragen. Selbst bei Gelenksschmerzen, Verkühlung oder Husten haben wir früher Harzsalben verwendet! Ich liebe diesen beruhigenden Harzgeruch, der in mir ein Gefühl von Wärme vermittelt, mich an meine schöne Kindheitszeit und meine Jahre als Förster im Wald erinnert…“ Liebevoll streicht er dabei über die Hand seines Enkelsohnes, welcher ihm nun regelmäßig etwas Harz aus dem Wald holte. Heute können wir das z. B. in die Duftlampe geben. Es sind im Leben die kleinen Aufmerksamkeiten, welche von Herzen kommen, mit denen wir wirkliche Freude und unvergessliche Momente schenken!
Eunike Grahofer
Kräuterpädagogin mit Leib und Seele
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