Eunike Grahofer steht mit einem Korb voller Zweige für die Wildnisapotheke Winter auf einer Wiese bei der Thaya

Wildnisapotheke Winter

Der Knochenrichter und sein Harzpflaster

Wie sie mit dem Schlitten einst talabwärts sauste, geriet Leopoldines Hand irgendwie so unglücklich unter den fahrenden Schlitten, dass sie die soeben in Schussfahrt zurückgelegten Höhenmeter zum elterlichen Hof unter größten Schmerzen heimstapfte. Ihre verletzte Hand stützte sie mit der anderen Hand und zog gleichzeitig den Schlitten. Die Mutter war mit dem „Boalrichter“, dem Knochenrichter bestens bekannt und packte ihre verletzte Tochter zusammen und trat den Fußmarsch zu dem Knochenrichter Herrn Distelberger nach Steinakirchen an. Der konnte die Glieder am Körper wieder einrichten und verabreichte den Verletzten zur Nachbehandlung sein bekanntes Harzpflaster. Der Boalrichter packte die Hand der jungen Leopoldine geschickt in seine. Während er sich mit dem Mädchen unterhielt, machte es einen Ruck und das Gelenk war wieder eingerichtet. Ehe Leopoldine sich des Schmerzes gewahr wurde, war dieser auch schon wieder vorbei. Er verabreichte ihr sein Distelberger-Harzpflaster, welches er ihr noch vor Ort am Herd erwärmte und fast unerträglich heiß auf das verletzte Gelenk von Leopoldine auflegte. Eines davon bekam die Mutter mit nach Hause, sobald sich das erste herunterlöst, solle sie der Tochter das zweite darüber geben. Nach einer Woche konnte Leopoldine ihre Hand immer noch nicht richtig hochheben, obwohl sie jeden Tag brav die Hand hochziehen übte. So ging die Mutter ein zweites Mal mit ihr zu dem Knochenrichter. Mit gerunzelter Stirn und hochgezogenen Augenbrauen begutachtete der maskuline Mann die Hand und meinte, dass ihr Gelenk noch nicht ganz drinnen sei. Während er sprach, verspürte Leopoldine auch schon einen Ruck, dem unmittelbar ein stechender Schmerz folgte. Sie bekam im Anschluss wieder eines seiner Harzpflaster verabreicht und eines für zu Hause mitgegeben. Diesmal wusste Leopoldine nicht, ob die Hitze des Pflasters auf der Haut oder der Schmerz vom Einrichten stärker waren. „Der hat genau gewusst, wo welcher Knochen hingehört!“

Nach dem Tod des Herrn Distelberger, hat sein Sohn des Vaters Werk eine gewisse Zeit weitergeführt. Schließlich wurde der gesamte große Vorrat der berühmten Pflaster abverkauft. Leider kam auch kein so begnadeter Knochenrichter mehr nach…

Auszug aus dem Buch „Die Hechals“

Die Natur schenkt uns zu jeder Jahreszeit natürliche Zutaten, welche wir mit einfachen Rezepturen verwenden können.

Die Natur ist ein Brief der Erde an uns Menschen, welchen wir nur zu lesen brauchen, …

ein althergebrachter Spruch

Eunike Grahofer beim moersern von Spitzwegerich in der Natur

Eunike Grahofer

Kräuterpädagogin mit Leib und Seele

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